„Wer anderen hilft, hilft auch sich selbst“

Wenn irgendwo ein Unglück geschieht, ist es für die meisten Menschen selbstverständlich, helfen zu wollen. Ob nach der Flutkatastrophe im Ahrtal oder jetzt während des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine: fast immer kommen innerhalb kürzester Zeit große Mengen Sach-, Kleider- und Geldspenden zusammen. Die Schwierigkeit liegt oft darin, die passenden Spenden zur richtigen Zeit an die richtigen Empfänger zu bringen. Genau dieses Ziel hat sich die Hamburger Hilfsorganisation Hanseatic Help auf die Fahnen geschrieben. Im Interview erzählt die Ehrenämtlerin Christina Klein, wie sie diese logistische Meisterleitung vollbringen. Und sie beschreibt, warum soziales Engagement auch den Helfenden selbst hilft.

Auf ein Gespräch mit der mit Christina Klein von Hanseatic Help e.V.

Was ist Hanseatic Help und was macht ihr?

Hanseatic Help ist eine Hilfsorganisation, die sich auf das Sammeln, Sortieren und Verteilen von Kleider- und Sachspenden spezialisiert hat. Wir beliefern mehr als 300 andere Organisationen, etwa  Flüchtlingsunterkünfte, Frauenhäuser, Kinderheime oder Projekte für Wohnungslose. Die können bei uns Bestellungen aufgeben –  zum Beispiel 10 T-Shirts in Größe M, 5 Jogginghosen, 2 Sommerjacken und so weiter. Unsere freiwilligen Helfer suchen die Teile dann in unserer großen Halle zusammen, verpacken sie und wir liefern sie aus. Die richtigen Spenden mit den richtigen Empfängern zusammen zu bringen ist eine logistische Herausforderung. Das ist unser Ding!

Wie ist euer Verein entstanden?

Wir haben uns vor gut sieben Jahren in Hamburg gegründet, nachdem immer mehr Geflüchtete in unserer Stadt ankamen. Zunächst waren wir nicht mehr als ein Haufen bunt zusammen gewürfelter Leute, die wochenlang freiwillig in den Hamburger Messehallen geholfen haben, die vielen Kleiderspenden zu sortieren, die die Hamburger dort abgaben. Das ganze Projekt wurde über Nacht einfach immer größer. Aus einer Vielzahl an Gründen musste einfach ein Verein gegründet werden, um zum Beispiel Spendenbescheinigungen ausstellen zu können. Heute haben wir eine eigene Halle in direkter Nachbarschaft zum Hamburger Fischmarkt und ein Team von 15 hauptamtlichen Mitarbeitern. Trotzdem konnten wir uns den Spirit der Anfangszeit bewahren: Bei uns kann jeder mitmachen, ob Schüler oder Rentnerin, ob für einen Tag oder für ein Jahr. Einfach kommen, Namensschild aufkleben und los geht’s. 

Aktuell kommen wieder viele Geflüchtete in Hamburg an, diesmal aus der Ukraine. Wie erlebt ihr das? 

Was wir beobachten konnten war, dass aus der Ukraine vor allem Frauen und Kinder kamen und unser damaliger Bestand und das, wozu wir damals aufgerufen hatten, dies nicht ganz abdeckte. Wir mussten unsere Spendenaufrufe und unsere Hallenorganisation in kurzer Zeit umstellen. Der Grund: Bis dahin war der angefragte Bedarf zum größten Teil Herrenkleidung. Das kam u.a. zustande, weil aus den anderen Krisenregionen vor allem junge Männer kamen und auch in der Obdachlosenhilfe der Bedarf nach Herrenkleidung ein deutlicher Fokus ist. Frauenkleidung wird insgesamt viel mehr gespendet, aber in den letzten Monaten hatten wir davon kaum noch etwas angenommen, weil der Platz in unserer Halle begrenzt ist. Jetzt haben wir Abnehmerinnen! Aber die Herausforderung war, eine Möglichkeit zu finden, diese Sachen direkt an sie auszugeben. 

Warum das?

Viele Ukrainerinnen sind privat untergekommen. Das ist natürlich ein Glück für sie. Andererseits ist es für sie dadurch schwieriger, an Hilfsgüter zu kommen als in einer Flüchtlingsunterkunft, zu der meist auch eine Kleiderkammer gehört. Wir hatten mehrfach die Situation, dass Menschen vor unserer Tür standen und nach Hilfe fragten. Wir dürfen aber laut Mietvertrag nicht direkt Spenden aus unserer Halle heraus verteilen. Das hat nicht nur mir fast das Herz zerbrochen. Wir haben deshalb in Windeseile eigene Hanseatic Help Stores eröffnet. Die Familien können bei unseren Läden einen Termin buchen und sich dann in aller Ruhe umsehen. So können sie sich nicht nur nehmen, was sie brauchen, sondern auch, was ihnen wirklich gefällt. Das macht einen großen Unterschied!

Inwiefern?

Das hat mit Würde zu tun. Wenn man Menschen wirklich helfen will, reicht es nicht aus, nur die nötigsten Bedürfnisse zu stillen. Es ist fast ebenso wichtig, ihre persönlichen Vorlieben zu respektieren. Das musste ich auch erst lernen! Da bekommt jemand Schuhe in der passenden Größe geschenkt und ist trotzdem nicht zufrieden, weil sie ihm nicht gefallen – ist er deshalb undankbar? Nein, das ist legitim. Für die meisten Menschen ist es sowieso schon schwierig, Hilfe anzunehmen. Je passgenauer die Hilfe ist, desto leichter macht man es ihnen. Über die Jahre habe ich zum Beispiel verstanden, dass es nicht sinnvoll ist, wohnungslosen Menschen helle oder bunte Kleidung auszugeben. Sie möchten nicht auffallen und bevorzugen daher dunkle Sachen. 

Richtig spenden will also gelernt sein. Hast du ein paar Tipps?

Egal wohin man spendet, man sollte sich immer vorher informieren, was gebraucht wird. Wir veröffentlichen regelmäßig Listen auf unserer Website hanseatic-help.org und unseren Social-Media-Accounts, zum Teil tagesaktuell. Außer Klamotten sammeln wir momentan verstärkt Schlafsäcke, Decken und andere Sachspenden, die wir direkt in die Ukraine liefern. Bei Kleidung sollte man sich ehrlich fragen, ob man die Teile selbst gerne annehmen würde. Wir sammeln auch Hygieneartikel wie Babywindeln, Damenbinden, Deo, Duschgel und so weiter. Allerdings nur Neuwertiges – Stichwort Würde! Geldspenden sind natürlich auch immer sinnvoll, aber ich verstehe, dass das für viele zu unpersönlich ist. 

Du sagst, bei euch kann jeder mitmachen. Ist das auch ein Ziel von euch, Menschen ihn ihrem Bedürfnis zu unterstützen, etwas Sinnstiftendes zu tun?

Auf jeden Fall. Es gab schon öfter den Fall, dass Menschen, die bei uns in die Halle gespült wurden und mit anpacken, selber in irgendeiner schwierigen Situation in ihrem Leben stecken. Bei mir hat es sich auch so ergeben: Ich saß heulend auf dem Sofa, frisch verlassen – von wem, weiß ich gar nicht mehr – als ich im Fernsehen sah, dass in den Messehallen Spenden für Geflüchtete gesammelt werden. Ich packte ein paar Kleider zusammen, ging hin und blieb. Das war eine besondere Atmosphäre. Für jeden und jede gab es etwas zu tun. Das ist bis heute so: Manche kommen zum Brötchen schmieren und versorgen die anderen Helfer, andere kommen zum Hubwagen fahren, wieder andere überlegen sich Social-Media-Projekte, um unsere Arbeit bekannter zu machen. Eine Kollegin stieß zu uns, als sie gerade in einem Burnout steckte. Heute ist sie eine der Hauptamtlichen. Sie verdient viel weniger als in ihrem alten Job, aber sie tut etwas Sinnvolles. Das ist gut für die Seele.

 

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Ihr bekämpft die Symptome der Armut – und das sehr erfolgreich. Was muss eurer Ansicht nach passieren, um die Ursachen von Armut nachhaltig anzugehen?

Meine persönliche Meinung ist, dass wir allen Menschen mehr Chancen geben müssen. Egal ob es sich um Geflüchtete, Wohnungslose oder Langzeitarbeitslose handelt. Wenn wir ihnen mit mehr Wertschätzung begegnen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder auf die Beine kommen. Bei Hanseatic Help habe ich viele Erfolgsgeschichten gesehen. Junge Geflüchtete ohne Arbeitserlaubnis, die bei uns eine Aufgabe und Freunde gefunden haben. Arbeitslose, denen bei uns der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben gelang. Bei uns funktioniert soziale Integration ganz nebenbei. Das bisschen Extraarbeit, die es macht, die Leute anzulernen, lohnt sich! 

Was macht Hanseatic Help beim Science Slam?

In meinem Slam erzähle ich, warum ich glaube, dass Helfen nicht nur die Welt besser macht, sondern auch uns selbst. Wir sind alle so gesättigt von Krisennachrichten, dass wir Gefahr laufen abzustumpfen. Wer sich engagiert und involviert, kann neue Hoffnung schöpfen und Krisen besser bewältigen. 

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