Foto: Lisa Budzinski Fotocredits: Markus Mielek
Was Darmbakterien über unsere Gesundheit verraten.
In unserem Darm tummeln sich Billionen von Bakterien. Die allermeisten sind sehr nützlich, denn sie unterstützen uns beim Verdauen, trainieren unser Immunsystem und helfen selbst mit beim Abwehren von Krankheitserregern. Die genaue Zusammensetzung und die Eigenschaften der Darmbakterien sind bei jedem Menschen einzigartig – beides kann sich aber auch verändern, je nachdem was wir essen oder ob wir krank werden. Diesen Veränderungen ist die Doktorandin Lisa Budzinski auf der Spur. Ziel ihrer Forschung ist die passgenaue Behandlung und Diagnostik für Menschen mit chronisch-entzündlichen Krankheiten. In der Zukunft könnten aber auch Gesunde profitieren – von einer Gesundheitsvorsorge, die genauso individuell ist, wie die Menschen selbst.
Auf ein Gespräch mit der Immunologin & Biotechnologin Lisa Budzinski.
Früher wurde über die Verdauung lieber geschwiegen, heute herrscht in den Medien ein regelrechter Darm-Hype. Eine gute Entwicklung?
Lisa Budzinski: Klares Jein! Ich finde es schön, wenn die Menschen sich für ihren Körper interessieren und mehr darauf achten, was gut für sie ist. Und wenn die Verdauung in der Öffentlichkeit kein Tabuthema mehr ist, kann das Menschen mit Beschwerden eine Menge Leid ersparen, weil sie sich trauen, darüber zu sprechen und sich Hilfe zu holen. Ich habe aber den Eindruck, dass wir mit manchen Handlungen den wissenschaftlichen Erkenntnissen voraus sind. Die Zusammensetzung der Darmbakterien ist bei jedem Menschen einzigartig, das sehe ich täglich im Labor. Trotzdem kommen immer mehr Produkte auf den Markt, die die Darmgesundheit ganz allgemein verbessern sollen. Das widerspricht sich und ist in meinen Augen Geldschneiderei.
Dann lieber zu den Fakten: Was wissen wir über die Rolle des Darms für unsere Gesundheit?
Er spielt eine ganz außerordentliche Rolle! Das kann man sich auch leicht vorstellen: Nirgendwo sonst kommen so viele körperfremde Stoffe an. Alles was dem Körper fremd ist, würde er am liebsten erst mal abwehren. Andererseits brauchen wir natürlich die Nährstoffe aus der Nahrung. Im Darm werden also die ganze Zeit wichtige Entscheidungen getroffen: was wird toleriert und was nicht? Für unser Immunsystem ist das ein stetiges Training. Es lernt zum Beispiel zwischen guten und krankmachenden Bakterien zu unterscheiden.
Darmbakterien sind auch das Thema deiner Doktorarbeit. Was machst du genau?
Ich untersuche und vergleiche die Zusammensetzung der Darmbakterien aus Stuhlproben von gesunden Menschen und von Patient:innen, die an chronischen Entzündungen leiden, etwa Rheuma. Dabei schaue ich mir vor allem die Oberfläche der Bakterien an. Das ist ein bisschen so, als wenn ich im Café sitze und vorbei gehende Menschen beobachte: Tragen sie eine Jacke? Welche Farbe hat ihr T-Shirt? Denn Bakterien benutzen keine Sprache, sie kommunizieren mit den Strukturen auf ihrer Oberfläche. Und je nachdem was wir essen oder ob wir krank werden, kann sich ihr Äußeres verändern. In jeder Stuhlprobe tummeln sich Milliarden Bakterien, die wir auf diese Eigenschaften untersuchen. Daraus ergeben sich Diagramme, die für jeden Menschen einzigartig sind, wie ein Fingerabdruck.
Wie kann eure Forschung Patient:innen helfen?
Unsere Methode könnte in Zukunft dafür eingesetzt werden, Krankheiten zu diagnostizieren und Therapieverläufe zu beobachten. Die Analyse-Diagramme sind zwar individuell verschieden. Aber wenn man die Ergebnisse von gesunden und kranken Menschen vergleicht, ergeben sich ganz eindeutige Muster. In unseren Studien ist es uns schon gelungen, auf diese Weise verschiedene Krankheiten zu unterscheiden. Ein Riesenerfolg! Wenn man während der Behandlung regelmäßig Stuhlproben nimmt, könnte man anhand der Veränderung des Bakterienprofils erkennen, ob Medikamente anschlagen oder nicht. Dadurch würde die Therapie viel gezielter. Bis das Verfahren in Arztpraxen oder Krankenhäusern ankommt, kann es noch dauern. Aber ich bin zuversichtlich, denn unser Ansatz hat viele Vorteile: Stuhlproben tun nicht weh und sind leicht genommen und die Geräte zur Analyse gibt es schon.
Ist eure Arbeit auch für gesunde Menschen nützlich?
Langfristig hoffentlich schon, etwa um Krankheiten vorzubeugen. Wir untersuchen auch, mit welchen Strukturen auf der Oberfläche die Darmbakterien mit dem Immunsystem interagieren. Manchmal ist dabei ein einzelnes Zuckermolekül entscheidend. Wenn wir darüber mehr Wissen, können wir in Zukunft vielleicht die Eigenschaften der Bakterien gezielt verändern. Etwa in dem wir Enzyme einnehmen, die das entsprechende Zuckermolekül abbauen. Auf diese Weise könnte sich das Immunsystem beruhigen und eine mögliche Entzündungsreaktion verhindert werden. So ein punktgenauer Ansatz macht für mich mehr Sinn, als beliebig Probiotika zu schlucken. Denn dabei konfrontieren wir unseren Darm mit neuen Bakterien, ohne zu wissen, was das eigentlich auslöst. Unsere Darmbakterien sind eine eingespielte Gemeinschaft. Man kann sie sich vorstellen wie einen alten Freundeskreis: Es ist immer seltsam, wenn neue Leute dazu kommen.
Hast du einen anderen Tipp, wie man seinem Darm schon heute etwas Gutes tun kann?
Ich glaube fest daran, dass jede:r ganz gut merkt, was dem eigenen Körper gut tut. Von allgemeinen Ernährungstipps halte ich nichts. Außer vielleicht: abwechslungsreich essen. Wenn wir viele verschiedene Lebensmittel verdauen müssen, hält das die Darmbakterien auf Trab und sie kommen nicht auf dumme Gedanken (lacht). Ansonsten auf den eigenen Bauch hören: Linsen, Joghurt oder Sauerkraut mögen gesund sein. Aber wenn man davon Bauchweh bekommt, sich schlapp oder aufgebläht fühlt, dann bitte lassen! Nicht alles funktioniert für alle.
Du interessierst dich für eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung? Dann schau gerne einmal beim Gesundheitscoach der Techniker Krankenkasse vorbei. Der Gesundheitscoach hilft uns bei einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung, da er aktuelle Fakten über eine gesunde Ernährungsweise liefert und uns dabei unterstützt unser Ess- und Trinkverhalten zu verbessern.
Ist das die Botschaft, die Du mit deinem Slam-Beitrag vermitteln möchtest?
Genau! Unser Darm ist genauso individuell wie wir selbst. Das sollten wir immer im Kopf haben, wenn wir über Ernährung und Gesundheit nachdenken. Ich selbst lebe vegan und fühle mich wohl damit. Ich kenne aber auch Leute, die gerne Fleisch essen und genauso fit sind. Wir sind eben verschieden!
Vielen Dank für das Gespräch! Wir freuen uns auf deinen Slam-Vortrag im Rahmen der Science Slam Tour
Du willst keinen Science Slam mehr verpassen?
Perfekt. Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte bestätige den Link in der E-Mail.
Mit der Anmeldung stimme ich der personenbezogenen Datenspeicherung zu.
Datenschutzerklärung
Bitte schau auch in Deinem Spam Ordner nach.