Foto: Sveda Gettys

Storytelling liegt uns in den Genen

Sveda Gettys ist Mitbegründer von Science & Stories und seit Anfang an beim Science Slam dabei. Außerdem ist er einer unserer Coaches für Wissenschaftskommunikation und Storytelling. Genau diese beiden Themen behandelt Sveda in seinem Podcast „homo narrans“ in einem Deep Dive mit interessanten Interviewpartner*innen. In der aktuellen Folge spricht er mit der Science Slammerin Rachel Etse über eine besondere Form der menschlichen Kommunikation: die Beleidigung. Die Ethnologin forscht zur Beleidigungskultur im deutschen Männerfußball und ist Trainerin in der rassismuskritischen Bildungsarbeit.

Auf ein Gespräch mit Podcasthost und Science Slam Coach Sveda Gettys

Was bedeutet „homo narrans“ für dich?

Die Bezeichnung „homo narrans“ steht dafür, dass wir Menschen von Geburt an und zu allen Zeiten Geschichtenerzähler*innen waren und sind. Storytelling ist also, wissenschaftlich gesprochen, eine anthropologische Grundkonstante. Wir sind also nicht in erster Linie der vernünftige Homo sapiens, auch wenn wir das gerne von uns behaupten, sondern wir sind von Natur aus Storyteller*innen. Deshalb sind Geschichten in Form von Klatsch und Tratsch auch die Urformen sprachlicher Kommunikation.

Das ist total spannend: die Neurowissenschaft lehrt uns, dass unser Gehirn unglaublich aufmerksam ist und ganz viele Hirnareale beteiligt sind, wenn wir Geschichten und Klatsch hören. Anders sieht es aus, wenn wir Faktenwissen „hören“. Da sind nur wenige Teile des Gehirns wirklich aktiv.

Im Podcast versuche ich, dem Storytelling auf den Grund zu gehen und dabei möglichst viele Perspektiven zu berücksichtigen. Also was sagt zum Beispiel die Hirnforschung dazu, die Biologie, die Medizin, natürlich die Psychologie, aber auch die Philosophie, die Anthropologie, die Geschichtswissenschaft, die Literaturwissenschaft, … Man sieht, viele Disziplinen haben mittlerweile Spannendes zu diesem Thema beizutragen.

Was für Geschichten möchtest du mit deinem Podcast erzählen?

Im Podcast „homo narrans“ lade ich Menschen ein, ihr Wissen über Storytelling und menschliche Kommunikation vorzustellen und wir diskutieren darüber.

Es gibt drei verschiedene Bereiche, in denen wir das tun: Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft.

In der Wissenschaft geht es darum, dieses weite Feld zu erforschen. Was sagen unterschiedliche Disziplinen dazu? Welche grundlegenden Theorien gibt es? Es geht aber auch um die Anwendbarkeit dieser Forschung in unserem Alltag und in der Gesellschaft.

Im Kulturbereich schauen wir uns zum Beispiel an, wie Museen, Theater oder Filmemacher*innen Storytelling bewusst einsetzen und welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Welche Rolle spielt heute außerdem transmediales Erzählen? Ein Feld, das ich auch wissenschaftlich erforsche und als Dozent an verschiedenen Universitäten unterrichte.

Im Bereich Wirtschaft diskutieren wir, welche Rolle Storytelling beispielsweise bei der Gründung eines Unternehmens oder in der Unternehmenskommunikation spielt, aber auch bei der Vermittlung von Werten oder Veränderungsprozessen.

Podcasts sind das ideale Format, um im Gespräch mit Wissenschaftler*innen richtig in die Tiefe zu gehen – also wirklich einmal Sachverhalte zu erklären, zu besprechen, aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und zu diskutieren. Im Grunde all das, was wir an wissenschaftlicher Arbeit so schätzen.

Bei Science Slams oder anderen Wissenschaftsformaten geht es oft darum, sein Wissen kurz und verständlich auf den Punkt zu bringen und einem breiten Publikum zu vermitteln. Viele spannende Details, die unsere Forschung ausmachen, kommen dabei zu kurz.

Science Slam und Podcast ergänzen sich daher ideal. Die Veranstaltung weckt das Interesse des Publikums, der Podcast befriedigt die Neugier nach mehr Detailwissen und Hintergründen.

Warum ist Storytelling in Universitäten, Forschungseinrichtungen oder Unternehmen so wichtig?

Wir haben ja gesehen, dass wir alle Storyteller*innen sind. Es liegt uns sozusagen in den Genen.

Storytelling ist also viel mehr als eine Methode oder eine Portion Würze für das Kommunikationskonzept, wie es oft verkürzt dargestellt wird. Es muss also zunächst darum gehen, zu verstehen, wie Geschichten und Erzählungen wirken, um sie dann gezielt einsetzen zu können. Aber nicht, um Menschen zu manipulieren, sondern um zum Beispiel Wissen oder Werte bei Mitarbeitenden oder Kund*innen nachhaltig zu verankern.

In den Medien und in aktuellen öffentlichen Debatten spielt der Begriff „Narrativ“ derzeit eine unglaublich große Rolle. Manchmal hat man den Eindruck, dass Narrative wichtiger und wirkungsvoller sind als Fakten, gerade im Zeitalter von Social Media. Und aus Sicht der Forschung ist daran tatsächlich etwas dran. So hat der Kommunikationswissenschaftler Walter R. Fisher bereits in den 1980er Jahren das „Narrative Paradigm“ aufgestellt (mehr dazu in Episode 1 des Podcasts).

Es besagt, dass wir Menschen glauben, unsere Entscheidungen auf der Basis von Vernunft zu treffen. Tatsächlich aber sind Sachargumente (im Englischen „good reasons“) stark von den Erzählungen geprägt, die sie umgeben. Wir glauben also, vernünftig und faktenbasiert zu handeln. In Wirklichkeit folgen wir aber oft unbewusst gut formulierten Narrativen, die nicht unbedingt richtig sein müssen.

Zu diesem Thema hat die Forschung in den letzten Jahren und Jahrzehnten unglaublich viel geleistet. Wenn wir diese Mechanismen verstehen, können wir zum Beispiel Fake News und manipulativen Narrativen viel besser begegnen, indem wir sie dekonstruieren.

Storytelling ist aber vor allem für die Praxis wichtig und spielt zum Beispiel in der Didaktik und in der Wissenschaftskommunikation eine unglaublich große Rolle. Wir sehen das besonders gut an dem Format Science Slam, wo Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Forschung in kleine, gut erzählte Geschichten verpacken, um komplexe Themen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Und dass das funktioniert, sehen wir an dem Erfolg des Konzepts.

Dieses Wissen wollen wir auch an Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen weitergeben und tun das in unseren Workshops. Dabei geht es zum Beispiel darum, langfristige Erzählstrategien zu entwickeln, aus denen sich dann eine Kommunikationsstrategie für Social Media und Co. ableiten lässt.

Welche Themen erwarten uns in den nächsten Episoden des Podcasts?

In der nächsten Folge geht es um das wichtige Thema „Rassismus und Beleidigungen im Fußball“. Das ist die zweite Folge mit der Ethnologin Rachel Etse, die erste war etwas allgemeiner, diesmal geht es um ihre konkreten Forschungsprojekte.

Dann ist eine Folge geplant, in der es um den Einsatz von Filmen und Kurzgeschichten in der medizinischen Ausbildung geht, das wird sehr spannend.

Und die nächsten Folgen plane ich mit Christian Krumm (Science Slammer und Autor), der auch schon bei der ersten und zweiten Folge dabei war. Da wird es unter anderem um ganz grundsätzliche Themen wie die Helden*innenreise aus erzählerischer und wissenschaftlicher Perspektive gehen.

Dann kommt ein Thema, mit dem ich mich auch mit meinen Studierenden beschäftige: „Intercultural Storytelling“, das wird auch in den nächsten Folgen einen größeren Raum einnehmen.

 

Mehr auf Instagram: homo_narrans_podcast

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